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Strategie "Anpassen"

Beim Anpassen wird versucht mit dem Wasser zu leben, anstatt das Wasser vom Gebäude fernzuhalten. Dazu wird das Wasser bewusst in das Gebäude eingelassen und durch eine angepasste Bauweise Schäden bei der Überflutung des Gebäudes minimier und der Zustand vor dem Hochwasser schnell wieder hergestellt. Diese Strategie kann oft auch durch Nachrüstungen im Gebäudebestand umgesetzt werden.

Schutz vor Wasserdruck und Auftriebskräften

Steigt der Wasserstand außerhalb des Gebäudes, so steigt auch der statische Wasserdruck auf das Mauerwerk und die Bodenplatte. Wird dieser Druck zu groß, können schwerwiegende Schäden am Gebäude auftreten wie z.B. das Aufbrechen der Bodenplatte oder das Versagen der Seitenwände. Wenn die Wände dem Druck des Wassers standhalten und die Summe der Gebäudelasten nicht ausreichen, um den Auftriebskräften des Wassers entgegenzuwirken, so kann es auch zum Aufschwimmen des Gebäudes kommen. Daher ist es bei Gebäuden, die nicht auftriebssicher sind oder Gebäudeteilen, die nicht auf den zusätzlichen Wasserdruck bemessen sind, sinnvoll, zum Kräfteausgleich das Wasser eindringen zu lassen. Auf diese Weise wird einerseits die Gebäudelast um das Gewicht des eindringenden Wassers erhöht, sodass das Aufschwimmen des Gebäudes verhindert wird und andererseits ein Ausgleichsdruck zu den Wasserdruckkräften erzeugt, sodass keine schwerwiegenden Schäden an der Bodenplatte und an den Außenwänden verursacht werden.

Die Anordnung von Flutungsöffnungen zum planmäßigen und kontrollierten Fluten eines Gebäudes zielt darauf ab, die Sicherheit der gesamten Konstruktion zu gewährleisten. Dabei sollten die Öffnungen gezielt auf die Standsicherheitserfordernisse sowie höhen- und lagemäßig unter Berücksichtigung der Gebäudefunktionalitäten angeordnet werden.

Bei eindringendem Hochwasser können weiterhin Schäden an der Inneneinrichtung, der technischen Gebäudeausrüstung und der Bausubstanz entstehen, wenn nicht entsprechende Vorsorgemaßnahmen getroffen wurden. Bleibende Schäden an der Bebauung werden häufig nicht direkt durch das eindringende Wasser, sondern vor allem durch die mit dem Hochwasser mitgeführten Wasserinhaltsstoffe und Sedimente verursacht. Durch eine kontrollierte Flutung mit Leitungswasser oder gefiltertem Wasser können Schäden durch verunreinigtes Wasser vermieden werden. Dabei sollte immer ein gewisses Maß an Überstau eingestellt werden, um zu verhindern, dass trotz gezielter Flutung verunreinigtes Wasser in das Gebäude gelangen kann.

Auswahl wasserbeständiger Baustoffe

Entscheidet man sich für die Strategie des Anpassens, so sollten die Räume, die von der Flutung betroffen sind, in ihrer Bauweise entsprechend gestaltet werden. Dabei ist grundsätzlich die Verbundwirkung (z.B. der Schichtenaufbau einer Deckenkonstruktion) zu berücksichtigen (vgl. DWA, 2014). Die Verwendung wasserbeständiger oder wasserunempfindlicher Materialien sowie deren zielgerichtete Integration in die Konstruktionsschichten eines Gebäudes sind zur erfolgreichen Umsetzung der Strategie des Anpassens unbedingt erforderlich. Zudem müssen diese Maßnahmen an unterschiedlichen Konstruktionselementen eines Gebäudes sinnvoll kombiniert werden. Diese komplexe Planungsaufgabe muss einem ausgewiesenen und qualifizierten Fachingenieur übertragen werden. Grundsätzlich sind der Wassereindringwiderstand, der Wasserdiffusionswiderstand und die Porosität als wesentliche bautechnische Parameter zur Auswahl geeigneter Baustoffe zu berücksichtigen, da diese das Durchdringungs- und Trocknungsverhalten eines Baustoffes maßgeblich bestimmen.

Es sollten solche Baustoffe verwendet werden, die im eingebauten Zustand nicht oder nur gering wasserempfindlich sind, d.h. dass sie von Feuchtigkeit nicht zerstört oder in ihren Eigenschaften beeinträchtigt werden. Dazu zählen z. B. Beton, Mauerwerk und Glas. Weiterhin sind leicht zu reinigende Baustoffe als Oberflächen von Bauteilen wie z.B. Fliesen als Bodenbelag und Wandverkleidung zu bevorzugen. Für Außenwände, Decken und Fußböden sind Bauarten zu vermeiden, deren bautechnische Funktionen bei einer andauernden Überflutung aufgrund ihrer Schichtenfolge erheblich beeinträchtigt werden können. Darunter fallen z.B. Leichtbau- und Holz-Rahmenkonstruktionen oder Feuerschutzabschlüsse aus oder mit wasserempfindlichen Baustoffen. Zudem ist darauf zu achten, dass die verwendeten Baustoffe für Außenwände, Decken und Fußböden nach einer Überflutung mit vertretbarem Aufwand wieder getrocknet werden können. 

In folgender Tabelle werden verschiedene Baustoffe bzw. Ausführungsformen von Bauteilen aufgelistet in Abhängigkeit von ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber Wassereinwirkung.

Eignung verschiedener Baustoffe im Hochwasserschutz (nach Hochwasserschutzfibel, BMVBS 2013):

Tabelle Eignung Baustoffe
Tabelle Eignung Baustoffe
Tabelle Eignung Baustoffe
Tabelle Eignung Baustoffe
Tabelle Eignung Baustoffe
Tabelle Eignung Baustoffe
Tabelle Eignung Baustoffe
Tabelle Eignung Baustoffe
Tabelle Eignung Baustoffe

Umgang mit Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung

Die Anlagen der technischen Gebäudeausstattung dienen dazu, die für die jeweilige Gebäudenutzung erforderlichen Versorgungen z.B. der Energie- und Wasserversorgung zu gewährleisten. Diese müssen an den zu erwartenden Bemessungshochwasserstand angepasst werden, um zum einen eine Gefährdung von Personen auszuschließen und zum anderen eine zügige Wiederinbetriebnahme der Gebäudenutzung nach einem Hochwasserereignis sicherzustellen.

Zum Schutz der technischen Gebäudeausrüstung vor Hochwasser werden in der VDI-Richtlinie „Schutz der technischen Gebäudeausrüstung vor Hochwasser“ (VDI 6004) vielfältige Hinweise und Empfehlungen formuliert. Vor einem Hochwasser ist grundsätzlich zwischen den Maßnahmen zu unterscheiden, die bereits bei der Planung nach den anerkannten Regeln der Technik zu berücksichtigen sind und den Vorkehrungen, die im Hinblick auf die Verhaltensvorsorge getroffen werden.

Umgang mit Inventar

In hochwassergefährdeten Gebäudeteilen wie z.B. Kellerräumen sollte grundsätzlich keine Nutzung in Verbindung mit hochwertigen Anlagen bzw. Einrichtungen vorgesehen werden. Ebenso sollte von Nutzungen abgesehen werden, von welchen im Hochwasserfall eine Gefahr für die Nutzer und die Umwelt ausgehen können. Anlagen und Einrichtungen, die für die Funktionalität eines Gebäudes wichtig sind (u.a. Heizungsanlagen) sollten in Gebäudeteilen untergebracht werden, die nicht überflutungsgefährdet sind.

Sind bereits Inventar, betriebliche Anlagen und Einrichtungen in überflutungsgefährdeten Räumen vorhanden, so sollten diese möglichst ohne großen Aufwand demontiert und ausgelagert werden können. Im Fall eines drohenden Hochwassers müssen für die Evakuierung des Inventars ausreichende und geeignete Ausweichräume zur Verfügung stehen.

Um die Auslagerung des durch Hochwasser bedrohten Inventars rechtzeitig und reibungslos durchzuführen, sollten zur Vorsorge im Rahmen eines Notfallplans die jeweils notwendigen Maßnahmen konkret festgelegt und die erforderlichen Kapazitäten (z.B. Personen, Transportmöglichkeiten) vorgehalten werden. Wer innerhalb dieses Notfallplans welche Aufgaben übernimmt, sollte vor einem Hochwasser vereinbart und die Durchführung regelmäßig mit den verantwortlichen Personen geübt werden, damit der Einsatz im Hochwasserfall reibungslos abläuft. Dabei können die Aufgaben unter Familienmitgliedern, Freunden oder Nachbarn aufgeteilt werden. Eine gut organisierte nachbarschaftliche Hilfe im Hochwasserfall ist eine sehr effektive und sinnvolle Maßnahme, von der alle profitieren.

Häufig stehen bei der Auslagerung des Inventars materielle Dinge im Vordergrund, obwohl in erster Linie Unterlagen oder ideelle Werte ausgeräumt werden sollten, da diese im Nachhinein nur mit großem Aufwand oder gar nicht wieder beschafft werden können. Schwere und sperrige Gegenstände, die nicht aus den gefährdeten Räumen transportiert werden können, sollten möglichst mit einer ausreichenden Anzahl an Stützen gesichert werden. 

Hochwasserangepasste Sicherung und Lagerung wasser- und umweltgefährdender Stoffe

Das Sichern von wasser- und umweltgefährdenden Stoffen stellt eine Ergänzung der Bauvorsorgestrategien dar. Sie umfasst Maßnahmen um die verschiedenen Anlagen der Gebäudetechnik, z. B. Heizöl- oder Gastanks, gegen Aufschwimmen oder eindringendes Wasser zu schützen und somit eine Kontamination der Umwelt zu verhindern. Weiteres Augenmerk muss auf die Lagerung und Sicherung leicht wegschwemmbarer Gegenstände im oder am Gebäude und auf dem Grundstück (z.B. Brennholz, Grünschnitt, Mülltonnen etc.) gerichtet werden. Diese Gegenstände sollten immer gesichert werden, da sie zu einer Verklausung beitragen können, was eine Eigengefährdung sowie eine Gefährdung Dritter bedeuten kann.

Die hochwasserangepasste Sicherung und Lagerung von wasser- und umweltgefährdeten Stoffen sollte grundsätzlich in allen Strategien der Bauvorsorge berücksichtigt werden.

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